Eisbrecher im Mittelmeer gesichtet von Andreas Hartwig und Marion Meyners-Dunkel

Venedig vor dem Markusplatz, 5. Juni 2022, 9:00 Uhr, ein Kanonenknall erschallt. Eine Armada aus 2.000 muskelbetriebenen Wasserfahrzeugen mit geschätzt 15.000 Besatzungsmitgliedern setzt sich in Bewegung. Die 46. Vogalonga ist gestartet, darunter auch der Eisbrecher des VRV mit 17 Personen an Board. Geschick und vorausschauendes Handeln des Steuermanns Rickmer ist hier gerade am Anfang bei dem extrem dichten Bootsverkehr viel wichtiger als Muskelkraft der Mannschaft. Mit nahezu jedem Schlag wechseln sich halbe Kraft, eins einen Schlag an, Bug halben Schlag gegen, stoppen, volle Kraft und viele weitere Kommandos ab. Super gemacht! Hierdurch konnten wir uns immer weiter vorarbeiten, so dass wir dann an den breiten Stellen auch die Kraft der Mannschaft zur Geltung bringen konnten. Unterwegs überall jubelnde Zuschauer, Flaggen, gute Laune und diese begeisternde Kulisse verstärkte sich noch bei der Durchfahrt durch den Canale Grande. Mega, die Rialtobrücke und viele andere Sehenswürdigkeiten mal aus anderer Perspektive zu sehen und dass auch noch mit Menschenmassen die einem zujubeln. Auch unsere international erfahrenen Besatzungsmitglieder waren begeistert, ob der Kulisse die sie so auch noch nicht kannten :). Schließlich waren wir mit dem Glockenschlag nach exakt 3 Stunden von 6 erlaubten am Ziel. Lediglich die Medaillenübergabe war etwas nüchtern, die fetten goldenen Medaillen wurden uns zusammen mit den „Diploma de Partecipazione“ in passender Stückzahl ins Boot geworfen. Ein gigantisches Erlebnis für das sich der ganze Aufwand auf jeden Fall gelohnt hat. Durch extremes Kabbelwasser ging es zurück zu unserem Startpunkt wo wir uns erst mal gegenseitig die Medaillen überreicht und mit einem frischen Bier gefeiert haben, bevor wir von unseren italienischen Vermietern zusammen mit deren Gondel wieder zu der Insel mit unserer Unterkunft geschleppt wurden. Der Abend und die Fahrt endeten mit 4 m Pizza und reichlich Wein. Als Dank für die wirklich tolle Organisation haben wir unseren Fahrtenleiter Rickmer dann noch mit original Gondoliere Kleidung ausgestattet. Die Basis für den Aufbau einer Abteilung für mit Gondeln Vorwärts rudern im VRV ist damit schon mal ganz gut gegeben.

Nun aber von Anfang an. Im Sommer 2021 begann in der Mastersgruppe die Idee zu reifen mit dem Kirchboot an der Vogalonga in Venedig teilzunehmen, als erstes VRV Boot überhaupt. Die Vogalonga ist eher eine Demonstration als eine klassische Regatta und zwar gegen den starken Motorbootverkehr in der Lagune. Bald stand der Beschluss die Teilnahme mit einer Wanderfahrt in der Lagune zu kombinieren und da viele keine Erfahrung mit dem Eisbrecher hatten gab es zuvor auch Trainingsfahrten auf der Weser – Schneetreiben als Einstimmung auf Venedig. Hannibal ist mit Elefanten über die Alpen gekommen, dann schaffen wir es auch mit dem Eisbrecher. Und in der Tat gut hin und her mit jeweils einer Übernachtung in der herrlichen Bergwelt von Kuchl – das Kirchboot in seinem natürlichen Habitat auf Almurlaub. 19 Leute, die mit einer Altersspanne zwischen 25 und 78 Jahren gut den Querschnitt durch den VRV abbildeten, trafen sich schließlich aus den verschiedensten Richtungen kommend an dem Übersetzpunkt für den Tuckerboottransfer auf die Insel mit unserem Ferienhaus. 17. Jh, funktionelle Einrichtung, etwas hellhörig aber eine super Umgebung für solch ein Event, einschließlich dem Rest der Insel mit Landbau, Fischzucht, Natur und außer uns und unseren Vermietern niemanden mehr. Folge der ruhigen Lage war natürlich auch, dass Einkäufe und Restaurantbesuche gut geplant werden mussten. Glücklicherweise haben einige eine frühmorgentliche Brötchenbeschaffung mit Kanu und Stand Up eingerichtet.

Touren gingen zunächst den Fluss Sile hinab, durch die Natur mit Fahrt durch die Lagune gefolgt von einem ruderischen Kulturprogramm. Letzteres führte uns dann vor allem nach Torcello und Burano. Dank unserer Kulturbeauftragten Carsten und Sirkka konnten wir viel Spannendes, z.B. zu bunten Häusern und alleinstehenden Kirchen, erfahren. So ganz nebenbei entstand der Spruch der Fahrt „achtet auf die Splinte“, nachdem der der den Anker ohne Leine ins Wasser wirft seinen Splint in Burano versenkt hatte. Glücklicherweise konnte ein Schlüsselring als Ersatz ergattert werden. Eine weitere Fahrt ging nach einer Schleusung aus der Lagune heraus in die Adria. Ein neues noch nie da gewesenes Feeling für den Eisbrecher – Dolce Vita am Adriastrand. Nebenbei hat die Besatzung das Baden im bereits warmen Mittelmeer auch genossen. Nach dem Spaß stand aber natürlich auch Training an, schließlich waren wir kurz vor einer Regatta. Das Schiff machte dank der starken Mannschaft auch gut Fahrt, aber was war das? Plötzlich gab es ein knirschendes Geräusch und ruckartig kamen wir zum stehen. Neptun hatte zwei Dalben, die die Fahrrinne markierten, abfaulen lassen, um so Steuermann Lars in Richtung Flamingos fahren zu lassen. Glücklicherweise kamen wir schnell wieder frei, bei fünf Wanderfahrt-Novizen im Boot musste es aber so kommen und um für die Vogalonga gut gesichert zu sein, wurde kurzfristig noch eine Neptuntaufe organisiert. Es hat geholfen, bei der gesamten Regatta wurden wir weder in die Tiefe gezogen, noch haben wir die Handbreit Wasser unter dem Kiel verloren. Auch auf der Insel mit unserer Unterkunft – der Isola Falconera – gab es ständig spannendes, erholsames und kulinarisches. Der Frühstückstisch war immer reichlich mit frischem Gebäck gedeckt, die vier Kochgruppen haben geniale italienische Menüs gezaubert und Chillen ging auf vielfältige Weise. Aber auch der Alternativsport durfte nicht zu kurz kommen. Neben Dehnen mit Zoe war Gondelrudern für alle ein einmaliges Ereignis. Schnell hatten wir die 8er Gondel mit Steuermann unserer Gastgeber entdeckt. Ein Wort gab das andere und schon ging es mit dem Training los – so etwas kann man nirgends buchen. Wir taten uns alle mit den offenen Dollen und vorwärtsrudern im Stehen recht schwer, es wurde nicht mit gegenseitigen Tipps gespart, um gleich anschließend selber wieder raus zu kommen. Schließlich lief es ganz gut, aber die 30 km Vogalonga wollten wir damit dann doch nicht in der Gondel fahren. Dies machten unsere Gastgeber mit Freunden, aber die An- und Abreise zur Regatta wurde dann doch gemeinsam gemacht und während des Rennens haben wir uns gegenseitig beklatscht. Die ganze Fahrt ein einmaliges Erlebnis, typisch VRV, alles machbar aber nirgends buchbar und unbezahlbar sowieso.

Andreas Hartwig, Marion Meyners-Dunkel

 

 

 

Der Eisbrecher auf der Durchfahrt durch den Canale Grande (Bild freundlicherweise von dem Ruderkameraden Christof Besting aus Berlin zur Verfügung gestellt)

 

Fette goldene Medaillen nach erfolgreicher Vogalonga

 

Gondeltraining, auch eine Art zu rudern

 

 

Auch an der Adriaküste fühlt sich der Eisbrecher wohl