Rudern in Kanada, Teil 8: Kanadische Meisterschaften

von Lion Tautz

Am 2. Juni um halb Vier Uhr morgens machten sich rund 50 Ruderer und Trainer auf den Weg von Brentwood auf Vancouver Island nach St. Catharines in Ontario an der Ostküste. Dort werden jährlich die CSSRA abgehalten, die Kanadischen High School Meisterschaften, mehr oder weniger das kanadische Equivalent der Deutschen Jugendmeisterschaften. Mehr als 130 Schulen nehmen teil, sogar einige US-Amerikanische Einrichtungen melden Boote. Nach einem fünfstündigem Flug kamen wir in Toronto an, von wo aus wir noch eine Stunde nach St. Catharines fuhren. Gepäck wurde am Hotel abgeladen und von dort aus fuhren wir direkt zur Strecke, die 1999 Austragungsstätte der Ruder-WM war. Wir riggerten die Boote auf und kehrten zum Hotel zurück um den wohlverdienten Schlaf zu kriegen, der schon seit mehreren Stunden überfällig war.
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Mittwoch und Donnerstag verbrachten wir den ganzen Tag an der Strecke, wir ruderten die verschiedenen Kombinationen und in der Freizeit polierten wir Boote und bereiteten uns mental auf die Rennen vor. Freitag erklang das Startsignal zum ersten Mal, allerdings hatte ich mein erstes Rennen erst am Samstag, da keine Halbfinals nötig waren.
Im Doppelvierer und im Achter konnten wir unseren Vorlauf souverän gewinnen. Im Doppelvierer war das stärkste Boot der Ostküste im selben Vorlauf wie wir, was uns für das Finale schon einige Hoffnung machte. Im Achter war unser Vorlauf sehr leicht, allerdings fuhren wir voll raus, da die Wetterprognose schlecht war, und die Finalrennen möglicherweise abgebrochen werden konnten. Dann zählt die schnellste Zeit aus den Vorläufen. Die konnten wir mit einem komfortablen Abstand von knapp 20 Sekunden abgeben, und so gingen wir auch im Achter ruhig in das Finale.
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Als erstes stand am Sonntag das Finale des Doppelvierers an. Auf der Favoritenbahn fuhren wir einen ruhigen Start und lagen auf dem zweiten Platz nach den ersten 500 Metern. Langsam aber sicher schoben wir unseren Bugball in Richtung Führung und als wir dann einen Zwanzigerspurt bei 1000 Metern fuhren, waren wir endgültig auf Platz 1. Von nun an galt es, diese Führung zu bewahren und auszubauen, denn der zweite Platz machte gehörig Druck und signalisierte, dass sie nicht kampflos aufgeben wollten. Bei 1500 Metern hoben wir langsam die Schlagzahl an und konnten unsere Führung so noch einmal um einen Luftkasten vergrößern, mit der wir dann die Ziellinie auch als Erster überquerten. Nachdem mein Doppelvierer letztes Jahr mit drei 98ern und mir gewonnen hatte, konnten wir den Titel dieses Jahr mit einer anderen Mannschaft verteidigen. Nach der Pokalverleihung galt es nun, uns auszuruhen und auf den Achter zu konzentrieren.
Knappe zwei Stunden nach dem Finale des Doppelvierers waren wir wieder auf dem Wasser, diesmal im Achter. Wir waren uns bewusst, dass das Finale ein Rennen zwischen uns und St. Georges sein würde. St. Georges kommt wie auch wir von der Westküste, und von den drei Rennen die wir gegeneinander gefahren waren, hatten sie eins und wir zwei gewonnen. Die Karten waren allerdings neu gemischt, da sowohl sie als auch wir einige Personaländerungen in der Mannschaft vorgenommen hatten. Vom Start zogen sie dann auch direkt davon und dominierten die erste Hälfte des Rennens mit einer recht hohen Schlagzahl von 37. Ruhig und kontrolliert stellten wir sicher das wir mit einer 33 nicht den Kontakt zu St. Georges verloren und warteten nur auf die dritten 500 Meter, die sich als unsere Stärke entpuppt hatten. Als wir die 1000 Metermarke passierten starteten wir einen Zwanzigerspurt und von da an war das Rennen entschieden. Mit jedem Schlag holten wir einen halben Sitz auf und als wir noch 500 Meter vom Ziel entfernt waren war unser Bugball in Führung gegangen. Nun war es nur noch eine Frage des Endspurts, diese Führung ins Ziel zu bringen. Als unser Steuermann aber nach einer höheren Schlagzahl verlangte, passierte nichts und so kämpften wir uns mit einer 34 und einer Bootslänge Vorsprung über die Ziellinie. Während der Pokalverleihung teilte uns unser Schulleiter mit, dass wir soeben die 100. Kanadische Meisterschaft für unsere Schule gewonnen hatten, was unseren Jubel noch einmal vervielfachte.
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Viel Zeit zum Feiern blieb allerdings nicht, da wir die Boote zügig abriggern mussten um möglichst schnell zum Hotel zurückzukommen. Dort erwartete uns nämlich ein Bankett mit allen Ruderern, Verwandten, Angehörigen und Lehrern unserer Schule. Kurzfristig wurde ich erinnert, dass ich als Schlagmann der B-Junioren auch eine Rede halten musste. Dies ist eine Tradition, die für A- und B-Junioren sowie Juniorinnen gilt. Wir B-Junioren haben allerdings immer die zweifelhafte Ehre, als Erste reden zu dürfen. Nachdem also auch dieses letzte Hindernis überwunden war, konnten wir endlich entspannen und unsere Erfolge genießen.
Am nächsten Morgen ging es wieder früh zum Flughafen, da uns an der Schule die Abschlussklausuren erwarteten. Durch eine Sonderregelung hatte ich diese allerdings schon hinter mir und deswegen war es mir möglich, früher nach Deutschland zurückzukehren um mich hier auf die Deutschen Jugendmeisterschaften vom 25. bis 28. Juni vorzubereiten, auf denen ich im Einer starten werde. Hier ist also meine Kanadareise für dieses Jahr vorüber, ich schließe mich wieder der Trainingsgruppe an. Im September geht es nach drei Monaten Sommerferien wieder zurück in das ferne Land, und dann werde ich auch wieder regelmäßig von den Regatten berichten.
Bis dahin genieße ich aber meine Auszeit hier zu Hause bei euch, Euer Lion.